Müssen wir die Löhne der Näherinnen und Näher in unseren Fabriken in Indien und Thailand öffentlich machen? Wir müssen nicht, aber wir wollen es tun. Auch wenn uns dabei unwohl ist. Die Lohnsumme ist eine nackte Zahl, Nuancen werden nicht kommuniziert. Fähigkeiten, Erfahrungen, Zuverlässigkeit, Loyalität - um nur ein paar zu nennen.
Ab heute werden diese Zahlen hier auf unserer Webseite öffentlich sein. Und ja, uns ist bewusst, dass wir noch nicht dort sind, wo wir sein möchten. Als kleines Unternehmen in der Textilbranche Geld zu verdienen ist eine Bitch. Und Arbeitgeber zu sein in einem Land wie Indien oder Thailand ist es auch, oder warum wohl arbeiten die meisten Fashion Brands mit sogenannten «Partnerfabriken» und übernehmen nicht selbst Verantwortung?
Wir sind gespannt, wohin die Reise geht. Und wir sind offen für Diskussionen und wollen uns nicht hinter wohlformulierten Marketing-Sätzen verstecken, wenn es darum geht, Transparenz in der eigenen Firma unter Beweis zu stellen.
Stellvertretend für viele andere, hier eine Email, die wir von der Schulklasse S3A in St. Gallen erhalten haben:
Gesendet: Mittwoch, 3. März 2021 08:28
Betreff: Fragen zur Kleiderproduktion
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir von der Klasse S3a der Oberstufe Ost Zil beschäftigen uns mit dem Thema Jeans-Produktion. Da ich meine Kleider am liebsten bei Ihnen kaufe, würde es mich interessieren unter welchen Bedingungen ihre Kleider hergestellt werden.
Da Ihre Kleider aus Secondhandmaterialien bestehen hat es mich interessiert von wo sie die bekommen. Ich habe gelesen, dass viele Firmen ihre Kleider mit Kinderarbeit herstellen, ist das bei Ihnen auch der Fall? In der Schule lernten wir, dass viele Firmen ihre Arbeiter nicht gut bezahlen, werden Ihre Arbeiter fair entlöhnt?
Über eine Antwort von Ihnen würden wir uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüssen
Klasse S3a
Eine persönliche Stellungnahme zu unangenehmen Fragen
Kaspar Schlaeppi, Managing Partner, Rework AG:
Das Beantworten solcher Anfrage gehört zu meinen Aufgaben und ich nehme mir Zeit dafür, auch wenn mit diese fehlt. Es berührt mich, dass das Thema Textilproduktion und Arbeitsbedingungen nicht nur gelegentlicher Coffee Table Talk und Lippenbekenntnis ist, sondern dass sich Menschen explizit die Mühe nehmen, an konkrete Informationen zu gelangen und sich getrauen, Firmen direkt anzusprechen. “Wie hoch sind die Löhne eurer Näherinnen und Näher? Warum produziert ihr in Billiglohnländern? Wie lässt sich "Made in China” mit einer ethischen Haltung in Einklang bringen? Es sind dies unangenehme Fragen und als Firma versteckt man sich gerne hinter unverbindlichen Formulierungen, die den Konsumenten hören lassen, was er hören will.
Auch ich habe gewisse Bedenken und Zweifel, wenn es allzu konkret wird. Natürlich würde ich die Arbeitsbedingungen als “gut” bezeichnen, aber gleichzeitig muss ich eingestehen, dass unsere Nähateliers in Indien und Thailand genauso gut als eng, unaufgeräumt und chaotisch wahrgenommen werden können, ausserdem ist es staubig und zu gewissen Zeiten erdrückend heiss. Natürlich wollen wir "faire Löhne” bezahlen, aber gleichzeitig ist klar, dass ich mich gerne vor Lohnverhandlungen drücke und mir bei den Lohnkosten eine möglichst kleine Zahl willkommener ist als eine grosse, denn diese Löhne müssen bezahlt werden und dafür muss ganz altmodisch Geld verdient werden, ethische Grundhaltung hin oder her.
Auch wenn ich mich fürchte, die Büchse der Pandora zu öffnen und wir uns angreifbar machen, will ich unangenehmen Fragen nicht aus dem Weg gehen und eine ehrliche Antwort geben, ohne die beschönigenden Formulierungen zu verwenden, wie man sie kennt von den “about us” Seiten Sections und den Presse Communiques, wenn von "Partnerfabriken" und "höchsten ethischen Ansprüchen" die Rede ist.
Warum produziert ihr in Tieflohnländern?
Wir wollen Rework als echte Alternative zu Fast Fashion positionieren. Rework soll nicht das Privileg einer gutverdienenden Bevölkerungsschicht sein, sondern auch Menschen mit kleinem Einkommen offen stehen. Deshalb produzieren wir in Ländern wie Indien und Thailand.
Ich habe selber 15 Jahre in Thailand gelebt und mich um den Aufbau unserer Nähateliers gekümmert. Die Menschen sind mir ans Herz gewachsen, ganz genauso wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz. Wir wollen diese teilweise langjährigen Arbeitsbeziehungen nicht beenden, auch wenn "Regionalität" aus klima-technischen Überlegungen natürlich vorteilhaft wäre. Aus diesen beiden Gründen nehmen wir die langen Transportwege in Kauf, auch wenn dies mit höheren Emissionen verbunden ist.
Verwendet ihr für den Transport das Flugzeug?
Wir versuchen zwar, nach Möglichkeit den Transport per Schiff zu berücksichtigen, vor allem auch weil Seefracht billiger ist, jedoch verwenden wir in vielen Fällen das Flugzeug. Meistens sind wir spät dran und es muss schnell gehen. Fast Fashion halt… resp. unsere Alternative dazu...
Sind eure Nähateliers zertifiziert?
Nein. Wir haben mal eine Zertifizierung durch die Organisation Fairwear ins Auge gefasst, jedoch hat das Tagesgeschäft uns immer wieder andere Prioritäten vor die Nase gesetzt. Eine Zertifizierung ist aufwändig und gerade bei kleinen Unternehmen fehlen oftmals die Zeit, das Geld, die Energie und die Manpower, um dieses Thema anzupacken. Klingt nach einer Ausrede? Womöglich schon. Und ja, es wäre wichtig, eine Zertifizierung zu haben. Irgendwann in der Zukunft hoffentlich werden wir das Anpacken können.
Wie viele Stunden wird in den Rework Nähateliers gearbeitet und wie viele bezahlte Urlaubstage gibt es?
Thailand: 8 Std pro Tag, 6 Tage pro Woche, 12 Urlaubstage, 13 Tage Feiertage
Indien: 8.5 Std pro Tag, 6 Tage pro Woche, 7 Urlaubstage, 18 Feiertage
Überzeiten gibt es bei Rework grundsätzlich keine.
Kinderarbeit?
Kinderarbeit ist in der Textilindustrie in der heutigen Zeit zwar immer noch ein Thema, jedoch sind die staatlichen Kontrollen in den jeweiligen Ländern inzwischen derart streng, dass es sich eher um Einzelfälle handelt. Ich selber habe in meinem Berufsleben viele Kleiderfabriken in Asien und Afrika besucht und niemals Kinder an den Nähmaschinen gesehen. Was nicht heisst, dass Kinderarbeit nicht mehr vorkommen würde.
Löhne?
Ein weit grösseres Problem sind die tiefen Löhne. Auch hier gibt es strenge Kontrollen, jedoch sind diese staatlich festgelegten Minimallöhne sehr tief angesetzt, weil die Regierungen ein Interesse hat, dass Firmen nicht in andere Länder abwandern. Mit diesen Mindestlöhnen ist es teilweise kaum möglich, eine Familie zu ernähren. Dies führt dazu, dass in Familien oftmals der Mann und die Frau in entfernt gelegenen Fabriken arbeiten und die Kinder von den Grosseltern betreut werden. Solche Wanderarbeiter sehen ihre Familien in den meisten Fällen nur ein oder zweimal jährlich. Bei Rework legen wir Wert darauf, dass dies nicht der Fall ist. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben mit ihren Familien zusammen und die Löhne sind deutlich höher als die Mindestlöhne. Ziel ist, dass man einen sogenannten
Existenzlohn ausbezahlt erhält, wie von der Organisation Global Living Wage Coalition Fairwear errechnet.
Wie viel genau verdient man bei Rework?
Die Königsfrage, den jetzt wird es konkret... Hier eine Tabelle, die die Monatslöhne in unseren Nähateliers in Thailand und Indien ausweist.
Was auffällt, viele arbeiten erst seit kurzem bei Rework. Einerseits wächst unsere Produktion schnell, wodurch neue Arbeitskräfte eingestellt werden, andererseits herrscht in dieser Branche allgemein ein sehr hohe Fluktuation. Trotzdem würden wir uns wünschen, diesbezüglich eine höhere Konstanz aufweisen zu können, eben gerade weil wir der Meinung sind, einen Arbeitsplatz anbieten zu können, der nicht nur die Gewinnmaximierung ins Zentrum stellt. Auch im Sinne der Qualitätssteigerung wäre dies sehr im Interesse der Firma. Wenn ich dann jeweils bei Kiran, unserer Managerin nachfrage, warum wieder jemand abgesprungen ist, geht es meistens um persönliche Gründe. Ein kranker Verwandter muss gepflegt werden, als Frau wird man in eine andere Gegend verheiratet, oder oftmals auch, dass anderswo ein angenehmerer Job in Aussicht gestellt wurde. Alles Gründe, die man als Arbeitgeber akzeptieren muss.
Stand Oktober 2023, Lohnangaben in lokaler Währung:
First Name |
Position |
since |
/ m |
|
|
|
|
Thailand Unit |
|
|
|
Thongjorn |
Master of bag dept |
2015 |
21’933 THB |
Supattra |
Tailor/Co-ordinator |
2015 |
14’816 THB |
Wilai |
Tailor |
2015 |
18’374 THB |
Nutim |
Cutting/Helper |
2014 |
12’274 THB |
Suriya |
Cutting |
2014 |
12’783 THB |
Sutee |
Tailor |
2022 |
19’391 THB |
Huai |
Helper |
2022 |
11’766 THB |
Khiep |
Tailor |
2022 |
16’849 THB |
Wassana |
Master of garment dept |
2018 |
23’458 THB |
Annapa |
Tailor/Sampling |
2018 |
21’424 THB |
Yupin |
Tailor |
2018 |
15’833 THB |
Duangkamol |
Tailor |
2023 |
18’883 THB |
Arisara |
Tailor |
2022 |
15’833 THB |
Wiritkorn |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
Kamolpun |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
Mam |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
Wilaiwun |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
Preeya |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
Pattamanun |
Laundry/House maid |
2023 |
9’733 THB |
Oranuch |
Cutting |
2023 |
15’833 THB |
Suppatra |
Tailor |
2023 |
15’833 THB |
|
|
|
|
India Unit |
|
|
|
Ashik |
Tailor |
2020 |
18’838 INR |
Dahyalal |
Group Organiser |
2017 |
22’572 INR |
Bayabai |
Tailor |
2017 |
19’712 INR |
Habib |
Grader |
2021 |
16’068 INR |
Pankaj |
Final Grader |
2021 |
17’648 INR |
Rajeshkumar |
Production Checking |
2016 |
18’114 INR |
Mukesh |
Cutting Master |
2019 |
21’843 INR |
Imtiyaj |
Grader |
2021 |
17’441 INR |
Gorakhlal |
Cutting Master |
2021 |
22’610 INR |
Lal |
Cutting Master |
2021 |
18’561 INR |
Deepak |
Tailor |
2022 |
18’838 INR |
Faruk |
Grader |
2023 |
12’466 INR |
Atmaram |
Tailor |
2023 |
15’237 INR |
Parmanand |
Helper |
2023 |
12’466 INR |
Anwar |
Cutting Master |
2020 |
28’236 INR |
Bijay |
Cutting Master |
2022 |
19’179 INR |
Kumar |
Pattern Master |
2019 |
25’039 INR |
Ramesh |
Tailor |
2019 |
18’007 INR |
Prakash |
Tailor |
2022 |
18’007 INR |
Prakash |
Tailor |
2020 |
19’392 INR |
Imran |
Helper |
2022 |
12’466 INR |
Ramji |
Tailor |
2022 |
16’622 INR |
Ganesh |
Tailor |
2022 |
16’622 INR |
Navin |
Final Grader |
2015 |
25’487 INR |
Kumar |
Tailor |
2020 |
18’262 INR |
Lata |
Grader |
2019 |
20’879 INR |
Shekhar |
Tailor |
2020 |
19’119 INR |
Nayna |
Helper |
2022 |
12’858 INR |
Amrat |
Tailor |
2021 |
17’770 INR |
Kaushalya |
Grader |
2021 |
16’497 INR |
Ajay |
Grader |
2020 |
20’390 INR |
Dipesh |
Cutting Master |
2020 |
22’533 INR |
Alim |
Tailor |
2020 |
19’198 INR |
Kavita |
Garder |
2021 |
15’716 INR |
Maddu |
Tailor |
2021 |
18’961 INR |
Dularchand |
Tailor |
2022 |
17’276 INR |
Tarla |
Final Grader |
2023 |
14’287 INR |
Raju |
Tailor |
2021 |
19’040 INR |
Durgarao |
Tailor |
2021 |
19’040 INR |
Subramaniyam |
Tailor |
2021 |
19’119 INR |
Kishan |
Cutting Master |
2021 |
21’421 INR |
Rashmi |
Helper |
2023 |
12’858 INR |
Ashish |
Tailor |
2023 |
18’803 INR |
Rajak |
Grader |
2023 |
12’858 INR |
Anil |
Tailor |
2023 |
19’198 INR |
Saladin |
Tailor |
2023 |
14’287 INR |
Govind |
Grader |
2021 |
17’612 INR |
Ashgar |
Grader |
2023 |
11’442 INR |